Meisterliche Bildhauerarbeit

Meisterliche Bildhauerarbeit
Christusbüste
Flämisch
Um 1500
Eichenholz geschnitzt
Höhe 63 cm

Diese meisterhaft gearbeitete Büste Christi stammt aus dem flämischen Raum um 1500 – einer Zeit, in der sich die religiöse Skulptur auf besonders eindrucksvolle Weise der Darstellung des leidenden Christus widmete. Der sogenannte Schmerzensmann wurde in der Spätgotik zu einem der zentralen Andachtsbilder: Er sollte den Gläubigen nicht nur das Leiden Christi vor Augen führen, sondern sie emotional berühren und zur persönlichen Meditation über das Erlösungsopfer anregen.
Die hier gezeigte Christusfigur ist mit höchster Detailgenauigkeit aus Eichenholz geschnitzt. Der nackte Oberkörper trägt deutlich sichtbare Spuren der Geißelung, die Rippen zeichnen sich unter dem eingefallenen Bauch ab. Auf seinem Haupt trägt Christus die Dornenkrone – Symbol seines Königtums im Zeichen der Erniedrigung und Leidensbereitschaft.
Das Gesicht Christi ist besonders ausdrucksstark gestaltet: Die schweren, halb geschlossenen Lider, der leicht nach rechts unten geneigte Kopf und die zusammengezogenen Augenbrauen vermitteln tiefste körperliche und seelische Erschöpfung. Die plastisch herausgearbeiteten Falten um Mund und Stirn steigern den dramatischen Ausdruck. Dichtes, wallendes Haar und ein kunstvoll geschnitzter Vollbart rahmen das Antlitz, das eine beinahe überirdische Würde ausstrahlt – trotz oder gerade wegen der sichtbaren Schmerzen.
Die Andacht zum leidenden Christus war in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit von zentraler Bedeutung. Der Gläubige sollte sich in das Leiden Christi hineinversetzen, um sich geistlich mit ihm zu verbinden – eine Form der empathischen Andacht, die auch durch solche Skulpturen unterstützt wurde. Diese Büste zählt zu jenen eindrucksvollen Beispielen religiöser Bildhauerei, die weit über ihre Zeit hinaus wirken.