Gaspare Diziani

Gaspare Diziani
Belluno 1689 – 1767 Venedig
Europa auf dem Stier
Öl auf Leinwand, doubliert
62,5 x 74,5 cm, mit Rahmen 78 x 90 cm
Wir danken Dr. Dario Succi für die Zuschreibung an den Künstler.

Gaspare Diziani, ein bedeutender venezianischer Maler des 18. Jahrhunderts, war bekannt für seine lebendigen Farben, dynamischen Kompositionen und eleganten, erzählerischen Szenen. Als Schüler von Sebastiano Ricci und Giovanni Antonio Pellegrini bewegte er sich im Umfeld der venezianischen Rokokomalerei, die sich durch Leichtigkeit, Bewegung und dekorativen Glanz auszeichnete. Neben Historienbildern und mythologischen Szenen schuf er auch Fresken und Bühnenbilder, die seine Fähigkeit zur dramatischen Inszenierung unter Beweis stellen.
Das vorliegende Gemälde zeigt die berühmte mythologische Szene der Entführung der Europa, eine Erzählung aus Ovids Metamorphosen. Zeus, von Liebe zu der schönen phönizischen Prinzessin Europa entflammt, verwandelt sich in einen prächtigen weißen Stier und nähert sich ihr sanft. Als sie Vertrauen fasst und auf seinen Rücken steigt, entführt er sie über das Meer nach Kreta, wo sie zur Stamm-Mutter der Europäer wird.
Diziani setzt die Szene in eine idyllische Landschaft am Meer. Das Meer erstreckt sich im Mittelfeld und Horizont, wodurch eine weite, atmosphärische Tiefe entsteht. Auf einer sonnenbeschienenen Lichtung thront Europa prachtvoll gekleidet auf dem liegenden Stier – ein Moment der Verführung und Sinnlichkeit, noch vor der eigentlichen Entführung. Zwei Dienerinnen stehen ihr zur Seite, sie scheinen sie zu stützen oder ihr gerade einen Blumenschmuck ins Haar zu legen, ebenso wie es ein kleiner Putto beim Stier tut – möglicherweise Amor, der das göttliche Begehren symbolisiert.
Im Vordergrund beleben weitere Figuren die Szenerie: Rechts sitzt eine Frau mit Blumen, während links eine weitere Frau herannaht, die ebenfalls floralen Schmuck trägt. Diese beiden könnten als Nymphen interpretiert werden, die die natürliche Schönheit und Fruchtbarkeit der Landschaft unterstreichen. Ein besonders sinnliches Detail ist Europas keck entblößter rechter Fuß, den Zeus in seiner Stiergestalt zärtlich ableckt – eine intime Geste, die die Verführung und das erotische Moment der Szene betont.
Diziani nutzt ein helles, buntes Kolorit, das für die venezianische Malerei des Rokoko typisch ist: Warme Gold- und Rosétöne stehen in Kontrast zu den kühlen Blau- und Grüntönen der Landschaft. Die weichen, schwungvollen Linien und die raffinierte Lichtführung verleihen dem Bild eine elegante Leichtigkeit, während die Figuren durch ihre anmutigen Bewegungen und fließenden Gewänder eine spielerische Dynamik erhalten.
Dieses Werk zeigt eindrucksvoll Dizianis Meisterschaft in der Darstellung von mythologischen Szenen voller Anmut, Eleganz und sinnlicher Atmosphäre – ein Inbegriff venezianischer Rokokomalerei.