Michel Erhart
14. Tiberius Auktion
Startpreis € 4.000
von | bis | Gebotserhöhung |
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Konstanz um 1440/45 – nach 1522 Ulm, Werkstatt zugeschrieben
Heiliger Sebastian
Um 1520
Lindenholz geschnitzt
Polychrom gefasst & vergoldet
Höhe 54 cm
Der heilige Sebastian ist nackt, mit typisch goldenem Lendenschurz, dargestellt und an einen Baumstamm gefesselt. Seine Wundmale am Torso und an den Beinen liegen frei; die Pfeile, mit denen er durchbohrt wurde, sind hier nicht erhalten. Sebastian diente als Offizier für Kaiser Diokletian und wurde wegen seines christlichen Glaubens gemartert: Man band ihn an einen Baum, wo er von numerischen Bogenschützen erschossen wurde. Da man ihn für tot hielt, ließ man ihn zurück; jedoch hatten ihn die Pfeile nicht töten können. Eine Wohltäterin namens Irene pflegte ihn gesund; später trat Sebastian wieder vor den Kaiser, der ihn schließlich zu Tode peitschen und in die Cloaca Maxima, den Abwasserkanal Roms, werfen ließ. Die Art des Martyriums sowie die zurückgelassenen Male stellen seinen Märtyrertod in die Nachfolge Christi.
Der jugendliche Körper des Märtyrers ist leicht gebogen, wobei seine rechte Hand über dem Kopf geführt und seine linke Hand hinter seinem Rücken an den Baum gebunden ist. Detailliert ausgearbeitete Locken rahmen sein kantiges Gesicht mit tiefliegenden, mandelförmigen Augen unter geraden Augenbrauengraten, hohen Wangenknochen und leicht lächelndem Mund. Er blickt beinahe entrückt zur Seite. Der fast ausgemergelte Körper ist durch das enganliegende Lendentuch akzentuiert. Es ist zwischen den Beinen durchgeführt und flattert in kantigen Faltenkonfigurationen nach oben, wie durch einen Windstoß bewegt.
Die dicht gelockten Haare, die Gesichtsphysiognomie sowie die Draperie verweisen auf den spätgotischen Stil der Ulmer Schule und besonders auf die Werke von Michel Erhart. Wahrscheinlich in den Niederlanden und am Oberrhein ausgebildet, wurde er 1469 erstmals in den Ulmer Steuerlisten aufgeführt und arbeitete sich dort bis zu seinem Tod 1522 zum führenden Bildhauer hinauf. Die fast grazil erscheinende Haltung ist mit der Figur des Jünglings der hochbedeutenden Vanitas-Gruppe im Kunsthistorischen Museum in Wien zu vergleichen (KHM, Kunstkammer, Inv.-Nr. 1). Weiters existiert im Victoria and Albert Museum die Büste eines Jünglings, welcher mit dieser Figur in der Ausarbeitung der Haarpracht und der Gesichtsphysiognomie sehr verwandt ist (V&A, London, Inv.-Nr. 6994-1860).
Literatur:
Barbara Maier-Lörcher, Meisterwerke Ulmer Kunst, Ostfildern 2004.
Brigitte Reinhardt (Hrsg.), Michel Erhart & Jörg Syrlin d. Ä.: Spätgotik in Ulm, Ulm 2002.
Barbara Schäuffelen und Joachim Feist, Ulm: Porträt einer Stadtlandschaft, Stuttgart 1987.
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